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Die Kunst der Umschreibung: Wie Antonomasien Charaktere und Orte zum Leben erwecken

Die deutsche Sprache ist faszinierend. Sie ermöglicht uns, Gedanken, Gefühle und Vorstellungen auf vielfältige Weise auszudrücken. In diesem Beitrag gehen wir auf ein bestimmtes stilistisches Mittel ein, die Antonomasie. Noch nie gehört? Macht nichts! Sie kennen dennoch bestimmt bereits die eine oder andere davon.


Von Ralf Stöckli

Rom wird oft «Ewige Stadt» genannt. Schon sind wir im Thema «Antonomasien» gelandet.
Rom wird oft «Ewige Stadt» genannt. Schon sind wir im Thema «Antonomasien» gelandet.

Vorab die Herkunft: Der Begriff «Antonomasie» stammt aus dem Griechischen («onomasia» für «Benennung») und wird zweierlei eingesetzt: einerseits als Synonym für eine Person, ein Tier, ein Ort oder eine Sache, andererseits als Gattungsbezeichnung für Personen, die gleiche Merkmale aufweisen. Lösen wir dies nun konkret auf.

  

Antonomasie als Synonym für eine Person, ein Tier, ein Ort oder eine Sache

Eine Antonomasie bezeichnet die Ersetzung eines Eigennamens durch eine Umschreibung, die auf besondere Merkmale oder Eigenschaften der benannten Person (oder Personengruppe, Tier, Ort und Sache) hinweist. Die eigentliche Nennung des Namens ist dann nicht mehr notwendig, da allgemein bekannt ist, wer gemeint ist.

  • Die britische Premierministerin Margaret Thatcher was als «Eiserne Lady» bekannt, Otto von Bismarck als «Eiserner Kanzler», Prinzessin Diana als «Königin der Herzen» oder Michael Jackson als «King of Pop».
  • Auch für Götter der Antike gibt es sie. So ist, wenn vom «Blitzeschleuderer» geschrieben wird, Zeus gemeint oder als «Beherrscher des Meeres», Neptun.
  • Andere, modernere, sind die «Götter in Weiss». Damit sind Ärztinnen und Ärzte gemeint, denen sich Patientinnen und Patienten mitunter ausgeliefert fühlen.
  • Bei den Tieren ist als «König der Tiere» der Löwe bekannt und der Adler als «Herr der Lüfte».
  • Auch für Orte gibt es Antonomasien: als «Ewige Stadt» wird Rom angeführt oder als «Stadt der Liebe», Paris.
  • Wenn man in diesen (und anderen) Städten Unfug treibt, bekommt man es unter Umständen mit dem «Auge des Gesetzes» - also mit der Polizei – zu tun.
  • Als «Freud Hein» - hier hört der Spass auf – ist der Tod gemeint.

 

Antonomasie für Personen resp. Personengruppen mit gleichen Merkmalen

Der Begriff Antonomasie wird ebenfalls verwendet, wenn ein Eigenname, der für eine bestimmte Eigenschaft steht, als Gattungsbezeichnung für ähnliche Personen oder Dinge verwendet wird.

 

Beispiele:

  •  «Xanthippe» für eine streitsüchtige Frau, obwohl die tatsächliche Person von Sokrates vermutlich weniger konfliktgeladen war.
  • «Casanova» als Synonym für einen grossen Frauenverführer.
  • «Herkules» für einen aussergewöhnlich starken Zeitgenossen.
  • «Adonis» für einen besonders attraktiven Jüngling, dem sogar die Göttin Aphrodite erliegen konnte.

Bei manchen dieser Bezeichnungen ist die ursprüngliche Person so stark in den Hintergrund gedrängt, dass viele Menschen überrascht wären, zu erfahren, dass sie tatsächlich auf echte oder mythologische Figuren zurückgehen.

 

Warum sind Antonomasien so wirkungsvoll?

Antonomasien schaffen eine lebendige, bildhafte Sprache. Sie erleichtern es, komplexe Eigenschaften in wenigen Worten zu vermitteln und verleihen dem Text eine poetische oder epische Qualität. Zudem können sie eine Person, ein Tier, ein Ort oder eine Sache idealisieren, heroisieren oder auch karikieren.

  • Eine Antonomasie ist oft kürzer und knackiger als eine normale Beschreibung. Sie weckt sofort ein Bild oder eine Vorstellung im Kopf der Leserin oder des Lesers.
  • Mit einer Antonomasie wird eine bekannte oder charakteristische Eigenschaft mit einem Begriff verbunden, der sofort Assoziationen weckt.
  • Antonomasien können bestimmte Gefühle oder Stimmungen hervorrufen, die den Eindruck vertiefen.
  • Eine Antonomasie hilft dabei, eine Person oder Sache schnell zu erkennen und zu charakterisieren – oft durch eine einprägsame, typische Bezeichnung.
  • Sie kann auch Erinnerungen oder Gedanken an bestimmte Personen oder Dinge hervorrufen, indem sie bekannte Merkmale nutzt.
  • Insgesamt setzt das Stilmittel Antonomasie jedoch voraus, dass die Leserinnen und Leser bereits ein gewisses Vorwissen haben. Sie müssen die Verbindung zwischen Eigenschaft und Begriff selbst herstellen, was zum Nachdenken anregt.

Dieses Stilmittel findet in der Literatur, im Journalismus, in Reden und im Alltag Anwendung. Autorinnen und Autoren nutzen Antonomasie, um Charaktere zu kennzeichnen oder bestimmte Eigenschaften hervorzuheben. Auch im politischen Sprachgebrauch ist es üblich, Persönlichkeiten mit bestimmten Titeln oder Bezeichnungen zu versehen, um sie zu charakterisieren.  


 

Dieser Text wurde inspiriert von einem DUDEN-Newsbeitrag
und redaktionell von gutkommuniziert.ch vertieft und erweitert.

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Quelle: 🔎Duden | Antonomasie