Einsamer Pensionierter generiert 40 Millionen YouTube-Aufrufe

In der Weihnachtszeit sind wir für herzerwärmende Geschichten zu haben. Mit diesem Umstand «arbeiten» die Werbeprofis. Die Supermarktkette Edeka sorgt mit ihrem aktuellen Spot «Heimkommen» für Gesprächsstoff. Allerdings sind bei weitem nicht alle Reaktionen positiv. Bei mir kommt die Geschichte gut an.



Weihnachten steht vor der Tür und spätestens jetzt bietet sich Unternehmen die Chance, ihre Werbung auf das heilige Fest auszurichten. Es geht darum, mit einer Atmosphäre glamouröser Heimeligkeit das Geschäft anzukurbeln – ganz gleich, was letztlich beworben wird.

 

Die deutsche Handelskette Edeka überrascht dieses Jahr mit einem traurig schönen Weihnachtsclip, der den Zuschauer eher nachdenklich als kauflustig stimmt: Die Geschichte handelt von einem einsamen Pensionierten, der vor Weihnachten reihum von seinen Kindern erfährt, dass sie es (auch) dieses Jahr nicht schaffen, ihn über die Festtage besuchen zu kommen. So sitzt der alte Mann zu Weihnachten ganz allein am Esstisch, dazu läuft traurige Musik. Dann Szenen von den erwachsenen Kindern, die in alle Welt verstreut sind. Sie lesen, dass der Vater gestorben ist. Bestürzung! Sie reisen nach Hause – wo der Totgeglaubte mit einer gedeckten Festtafel auf sie wartet.

 

Diskussion: Geht der Spot zu weit? 

 

Beim Publikum kommt die Geschichte differenziert an. Während die einen zugeben, in Tränen ausgebrochen zu sein, finden andere die Werbung «pietätlos». Das Echo auf den Edeka-Spot zeigt aber, dass Werbung und gesellschaftliche Themen gut zusammenpassen.

 

Natürlich kann man anführen, dass der alte Mann seine Familie mit dem wohl makabersten aller Scherze, seiner eigenen Todesanzeige, schockt. Und dass dies moralisch grenzwertig ist. Zum andern führt der Werbefilm anschaulich vor Augen, dass Einsamkeit im Alter ein gesellschaftliches Problem darstellt und dass es nicht ratsam ist, sich hinter der Arbeit zu verstecken, um persönliche Kontakte nicht pflegen zu müssen. Ehrgeiz und auf Erfolg ausgerichtet zu sein in Ehren – aber die Familie geht vor … speziell an Weihnachten. Deshalb finde ich, dass die Botschaft im Vordergrund steht. Und die fährt ein. Die geht unter die Haut. Und deshalb sind die Glücksgefühle bei vielen Betrachtern am Schluss des Spots so stark … dann, wenn die Familienangehörigen sehen, dass der Vater noch lebt und wie ausgelassen und froh anschliessend gemeinsam gegessen und gefeiert wird.

 

Aber warum ist die Edeka-Kampagne derart durch die Decke gegangen und hat über 40 Millionen Youtube-Aufrufe realisiert? Weil sie die Logik der sozialen Netzwerke versteht. Eines der Geheimnisse viraler Werbekampagnen ist, dass sie nicht mehr nach Werbung aussehen, sondern als kinoreife Kurzfilme daherkommen. Statt zu schreien: «Kauf das!», erzählen sie relevante Inhalte in Geschichtsform. Ein Erfolgsrezept, das schon Steve Jobs für sich zu nutzen wusste.