Wir können alles. Ausser Französisch.

Das neue Firmenmotto von Siemens stiftet in manchen Sprachen grosse Verwirrung.


Von Christoph Giesen | Süddeutsche Zeitung | 10. Dezember 2015

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«Just do it.» Drei Worte, griffig, einfach, und fast jeder weiss, dass dies der Markenclaim des Sportartikelherstellers Nike ist. Überall und weltweit.

 

«Vorsprung durch Technik.» Wieder drei Worte, diesmal sogar auf Deutsch. Und selbst in Grossbritannien werden die meisten damit sofort Deutschland und den Autobauer Audi in Verbindung bringen.

 

Seit ein paar Tagen hat auch Siemens sich drei Worte zugelegt: «Ingenuity for Life» heisst das neue Firmenmotto. Bislang war der Konzern ohne Claim ausgekommen, der Siemens-Schriftzug stand für sich. Diese Zeiten sind nun aber vorbei. «Werner von Siemens hätte es damals Erfindergeist genannt, wir nennen es Ingenuity for Life», gab sich Siemens-Chef Joe Kaeser selbstbewusst bei der Präsentation vor ein paar Tagen.

 

In der Tat schlägt das Wörterbuch für «Ingenuity» Übersetzungen wie Einfallsreichtum oder Erfindungsgabe vor. Doch einmal Hand aufs Herz, wer in Deutschland kannte das Wort vorher? Selbst ansonsten anglophile Journalisten vermuteten zunächst, es handele sich um ein Kunstwort, erdacht in der konzerneigenen Marketingabteilung. Aber nicht nur das. Es gibt noch ein zweites Problem.

 

In einigen romanischen Sprachen stiftet der Begriff vor allem Verwirrung. Auf Französisch zum Beispiel bedeutet «ingénuité» nicht etwa Ingenieurskunst, sondern Treuherzigkeit. Naivität statt Geistesblitz. Das Gleiche gilt fürs Portugiesische und somit auch für den grossen Wachstumsmarkt Brasilien: Das Adjektiv «ingênuo» heisst dort übersetzt ahnungslos.

 

Und so hat Siemens sich entschieden, gegenzusteuern. In Portugal und Brasilien wird statt «Ingenuity for Life» künftig «Engenhosidade para a vida» unter dem Siemens-Logo stehen. Auch auf Spanisch wird es eine Adaption geben. In Belgien und im französischsprachigen Teil Kanadas heisst es künftig: «L'ingénuosité au service de la vie». Macht sieben statt drei Worte. Noch komplizierter wird es in Frankreich selbst. Dort wird Siemens in Anzeigen mit dem Original werben, allerdings erscheint dazu klein gedruckt jedes Mal eine Übersetzung. Noch mehr Abwandlungen, versichert ein Siemens-Sprecher, werde es allerdings nicht geben.

 

Gestartet wird die Werbekampagne zunächst in den Vereinigten Staaten, in China und in Deutschland, danach geht es weiter, auch mit den romanischen Sonderformen.

 

Der einzige Trost für Siemens: Vor allem Frankreich ist ein schwieriger Markt. Auch Audi hat sich dort trotz «Vorsprung durch Technik» schon blamiert. Als der Konzern seine Hybridreihe E-Tron vorstellte, war das Schmunzeln gross. Auf Französisch ist ein «étron» nicht etwa ein Auto, sondern ein Kothaufen.