Von Hirschen, Schwänen und Autoren

Quelle: DUDEN-Newsletter vom 2. November 2015

Vielfältige Einblicke in die deutsche Sprache - dank DUDEN.
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Sollten Sie einmal in einem Waldgasthaus «Zum Hirschen» oder gar in einer Landgaststube «Zum Schwanen» einkehrt sein, wird Ihnen vielleicht nichts Gutes geschwant haben, was die Endungen dieser Tiernamen angeht.

 

Die Substantive Hirsch und Schwan werden heute grundsätzlich stark dekliniert:

der Hirsch, des Hirsch[e]s, dem Hirsch, den Hirsch, die Hirsche bzw.

der Schwan, des Schwan[e]s, dem Schwan, den Schwan, die Schwäne

 

Das war aber nicht immer so: Früher hatten Genitiv, Dativ und Akkusativ im Singular die schwache Endung -en:

 

«[...] so will ich mich doch im Todbett mutiren und alldort zu einem Schwanen werden» (sagte Abraham a Santa Clara, eigentlich: Johann Ulrich Megerle, 1644–1709, Judas der Erzschelm).

 

«Indem er das schöne grosse Thier mit grossem Verlangen betrachtete, ward er zwischen den Geweihen des Hirschen das Bildniss des gekreuzigten Heilands gewahr» (schrieb Ludwig Aurbacher, 1784–1847, im Büchlein für die Jugend).

 

Aus diesen alten Formen erklären sich die Namen Gasthaus zum Hirschen bzw. Gasthaus zum Schwanen.

 

Eine Regel für die Deklinationsart von Substantiven besagt, dass Substantive, die ein Lebewesen bezeichnen (ein Tier, eine Person) und den Plural auf -en bilden, dann auch im Genitiv, Dativ und Akkusativ Singular diese Endung haben.

 

Wie es sich für eine gestandene Regel gehört, gibt es natürlich auch Ausnahmen. Eine davon bilden die Substantive, die auf ein unbetontes -or enden. Sie werden im Singular stark dekliniert (und bilden den Genitiv auf -s), auch wenn sie Lebewesen bezeichnen und im Plural auf -en enden:

des verrückten Professors

des seltsamen Doktors

des gefeuerten Direktors

des erfolgreichen Autors.

 

Ein Kandidat, der im Schreiballtag immer wieder gern mal eine Ausnahme von der Ausnahme macht, ist dabei der Autor. Er begegnet uns gar nicht selten in den schwach deklinierten Formen des Autoren, dem Autoren, den Autoren, obschon standardsprachlich die starke Deklination im Singular richtig ist: des Autors, dem Autor, den Autor.

 

Zurück zum Schwanen: Hat das Verb wirklich etwas mit Schwan zu tun?

 

Schwan ist nicht lateinisch, schwanen in gewisser Weise (vielleicht) schon. Die Herkunft des Verbs ist dunkel, doch eine der favorisierten Deutungen ist die, dass es um einen alten Humanistenscherz des 16. Jahrhunderts gehe: Da habe man eine Kontamination aus olet mihi («es riecht mir = ich ahne») und olor («Schwan») gebastelt und dann in schwanen lehnübersetzt. Das ist nicht gesichert, aber immerhin witzig.

Verwendung des Newsletterinhalts mit freundlichem Einverständnis des Bibliographischen Instituts Berlin